PFALZBOTE: KRITISCHE SOZIALE ARBEIT
Georg Büchners Flugschrift Der hessische Landbote beanstandete die sozialen Missstände zu Beginn des 19. Jahrhunderts und gilt nicht nur als wichtiges Werk des Vormärz, sondern steht für Timo Heidl symbolisch für die grassierende soziale Ungleichheit im 21. Jahrhundert. Hierfür muss sich die durch den aktivierenden Sozialstaat gekaperte Soziale Arbeit nicht nur aus ihrer politischen Erstarrung befreien und ihren Zweck wieder selbst bestimmen, sondern dabei auch (verschleierte) Selektionsmuster gesellschaftlicher Herrschaft, die soziale Ungleichheit, Diskriminierung und Exklusion befeuern, diskursiv und öffentlichkeitswirksam entkleiden: Schreiben ist sozialarbeiterische Berufspolitik!
ANALYSEN KRITISCHE SOZIALE ARBEIT
Erstes Fragment: Die kritische Analyse thematisiert die kapitalistische Produktionsweise, ihre inneren Widersprüche sowie die gesellschaftlichen und politischen Mechanismen, die den Wandel des Sozialstaates beeinflussen und damit die sozialarbeiterische Praxis prägen. Hierbei werden zentrale Theorien, insbesondere die marxistische Kapitalismuskritik, mit der Regulationstheorie verbunden, um die Dynamik und Krisen des Kapitalismus zu erklären.
Über die Demontage unseres Sozialstaates
Zweites Fragment: Die kritische Analyse thematisiert die Entwicklung des Sozialstaates in Deutschland, insbesondere im Kontext der Transformation vom Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Sozialstaat. Sie verbindet historische Entwicklungen mit aktuellen sozialpolitischen Strategien und reflektiert die gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Konsequenzen dieser Veränderungen.
Soziale Arbeit im aktivierenden Sozialstaat
Drittes Fragment: Die kritische Analyse thematisiert die Entwicklung und aktuellen Herausforderungen der Sozialen Arbeit im Kontext des aktivierenden Sozialstaates. Sie verbindet historische, gesellschaftliche und politische Perspektiven, um die Widersprüche und Folgen der Ökonomisierung sowie der Aktivierungspolitik auf die Profession und ihre Adressaten zu beleuchten.
Konzeption eines kritisch-transformativen Professionsmodells für die Soziale Arbeit
Viertes Fragment: Für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit muss die Balance zwischen Effizienz, Professionalität und gesellschaftlicher Gerechtigkeit neu verhandelt werden. Das kritische-transformative Professionsmodell ist Timo Heidls gesellschaftskritische Vision für die Profession der Sozialen Arbeit im 21. Jahrhundert. Es fordert eine radikale Reflexion gesellschaftlichlicher Herrschaft und der damit verwobenen eigenen Rolle sowie eine aktive gesellschaftspolitische Einflussnahme.
KOLUMNE KRITISCHE SOZIALE ARBEIT
Mit sprachlicher Wucht und poetischer Metaphorik entlarvt Timo Heidls Kolumne die Soziale Arbeit als eine neokoloniale Macht der Moderne, die sich im täuschenden Gewand der Fürsorge verbirgt und dabei stetig neue Reviere unseres Alltagslebens erobert. Die Kolumne ist ein scharfer Spiegel, der die Schattenseiten und systemischen Widersprüche der Profession unnachgiebig reflektiert und zugleich ein notwendiges Korrektiv gegen eine unkritische und selbstgefällige Haltung im Sozialwesen.
FACHKOMMENTARE ZUR PRAXIS SOZIALER ARBEIT
Was ist Kritische Soziale Arbeit?
Kritische Soziale Arbeit versteht sich nicht als Reparaturbetrieb für systemische Defizite, sondern als theoretisch reflektierte Haltung und transformative Praxis. Sie stellt die gesellschaftlichen Ursachen sozialer Probleme ins Zentrum und hinterfragt die zugrunde liegenden Macht- und Ungerechtigkeitsverhältnisse. Ihr Ziel ist nicht die Anpassung des Individuums, sondern dessen Emanzipation sowie der Wandel hin zu einer gerechteren Gesellschaft.
Vom Habitus-Struktur-Konflikt Sozialer Arbeit an einer Förderschule
Die Behindertenindustrie besitzt eine mächtige Lobby, denn Förderschulen sind ihr staatlich garantierter Motor. Darum sprachen die Alteingesessenen immerzu: „Das können die Kinder nicht, denn sie sind behindert.“ Dann kam ein Sozialarbeiter, den interessierte das nicht und die Kinder taten es. Als die Kinder erfolgreich wirkten, hielten sich die, die immerzu sprachen, die Augen zu und sagten: „Du bist jetzt kein Sozialarbeiter mehr und musst dich uns fügen, sonst wirst du dein Aufbegehren büßen.“
Wäre Soziale Arbeit die Prämisse eines Films, dann hieße der Antagonist Neoliberalismus. Der ist wiederum in einem aktivierenden Sozialstaat organisiert und bekämpft mit seinen Handlangern Ökonomisierung, Sozialmarkt, Fördern und Fordern eine gelingende sozialarbeiterische Praxis. Ein solches Drehbuch wäre aber zu abgedroschen und generisch, denn es fehlen vorgebliche Mitstreiter, die sich als Schurken entpuppen und freilich ein finaler Plot Point, der die sozialarbeiterische Selbstsabotage offenbart.
Othering in der Praxis Sozialer Arbeit
Othering beschreibt die Konstruktion des Anderen im Diskurs, um hegemoniale Machtverhältnisse abzusichern. Othering ist zwar keine Stigmatisierung, aber als Denkstruktur in alle Ebenen unseres Alltags eingewoben. Der Prozess der ständigen Anrufung als andersartig führt dazu, dass die Betroffenen sich selbst derart wahrnehmen, ausgegrenzt und beherrscht fühlen. Wie bestimmen Othering und Intersektionalität die Handlungsmuster sozialarbeiterischer Praxis und wie lassen sich beide dekonstruieren?
Von Prekariatsschmieden in der Sozialen Arbeit
Die Tarifflucht in der Sozialen Arbeit und die damit verbundenen geringen ökonomischen Aufstiegschancen werden für Sozialarbeitende Folgen haben und eine künftige Altersarmut schmieden. Ein Vergleich zwischen den Tarifverträgen (TVL / AVR) und dem tarifflüchtigen Gehaltsgefüge eines Ludwigshafener Bildungsträgers.
Das Coronavirus: Wenn sich unser Erbgut erinnert
Sozialisation, Beziehungs- und Verhaltensmuster verändern sich über Generationen. Warum ist das so? Eine mögliche Antwort darauf findet sich in der Epigenetik, die den Einfluss von Umweltreizen auf das menschliche Erbgut untersucht. Das staatliche Vorgehen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie kollidiert nicht nur mit Freiheit und Selbstbestimmung, sondern verursacht soziale Isolation, Existenzängste, ökonomischen Schiffbruch und eine dadurch bedingte Zunahme familiärer Gewalt. Diese als traumatisch erlebten Umweltreize könnten das Erbgut prägen und damit auch die künftigen Anforderungen an eine gelingende Praxis Sozialer Arbeit.
Soziale Arbeit: das Märchen vom Fachkräftemangel
Soziale Arbeit arbeitet mit betriebswirtschaftlichen Steuerungsmodellen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung, die in einer Ludwigshafener Jugendhilfeeinrichtung und in einem Bildungsträger nicht nur mit einer Erhöhung von Fallzahlen einhergehen, sondern auch mit einem angeblichen Fachkräftemangel kalkulieren. Ist der stetig propagierte Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit womöglich nur ein Narrativ und gründet Personalmangel nicht eher in einer schlechten Arbeitgebermarke?
Soziale Arbeit: das Märchen von der Wertschätzung
Wertschätzung bedarf keiner Worte! Funkeln muss sie in den Augen und sich wie das Modrige erkennbar zeigen, wer sich ihr nähert. In einer Ludwigshafener Jugendhilfeeinrichtung in kirchlicher Trägerschaft und in einem Ludwigshafener Bildungsträger wird Wertschätzung allerdings eigennützig interpretiert und gelebt.
INTERMEZZI SOZIALER ARBEIT
Timo Heidls sozialarbeiterische Intermezzi werfen ein gleichermaßen einfühlsames wie schonungsloses Licht auf Machtmissbrauch, toxische Strukturen und systemische Verwerfungen im Sozialwesen. Durch die allegorische Kraft des Märchenstils gelingt es ihm, die komplexen Dysfunktionen des Hilfesystems in berührende und groteske Bilder zu fassen, ohne die analytische Schärfe zu mindern.
Über einen unbedeutenden Winkel
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der erste Streich: In einem unbedeutenden Winkel hauste einst eine traurige Däumlingsschar. Es gab vermutlich viele traurige Däumlinge in Lumpenhafen, denn in jeder der winzigen Kammern waren mehr von ihnen untergebracht als hineinpassten. An einem nebelverhangenen Herbstmorgen klopfte ein vornehmer Herr an die Winkelpforte und stellte sich als der Schein vor. Er würde allen Riesen einen Wunsch erfüllen, wenn die Winkelherrin seine stetig frohgemutere Anverwandte Peisinoe anstellte.
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der zweite Streich: Eines Tages verirrte sich ein Tor in den unbedeutenden Winkel und der Zampano bot ihm eine kurzlebige Stellung als Winkelknecht an. Der Tor war ein prunkloser Riese, ahnungslos, dass sich dort der prunksüchtige Schein vielgestaltig verbarg. Emsig schmeichelte er dem Tor mit all seinen Angesichtern, doch dessen stoischer Leitstern der Selbstgenügsamkeit war ein kraftvoller Schutzzauber, den selbst der Schein nicht zu durchdringen vermochte. Erfüllt von Furcht um seinen Fortbestand, befahl der Schein seiner Anverwandten Peisinoe des Tors Seelenheil zu zerschmettern.
Vom Zampano, der König sein wollte
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der dritte Streich: Als sich der Tor in dem unbedeutenden Winkel um eine Anstellung bewarb, empfing ihn der Zampano zum Zwiegespräch. Selbiger war ein kräftiger Riese, der sich kleidete wie es ihm beliebte, augenscheinlich auf Schönfärberei verzichtete und dabei mit seiner bewanderten Rhetorik beeindruckte. Doch dem Tor blühte alsbald, dass es dem Zampano nie daran gelegen war eine fruchtbare Winkelgemeinschaft zu schaffen, sondern durch den Königsmechanismus sein eigener Lehrmeister zu bleiben.
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der vierte Streich: Nachdem der Tor gemutmaßt hatte, in dem unbedeutenden Winkel Erhabenheit über sein früheres Ich erlangt zu haben und dort niemand mehr von höherer Güte weilte, war er sich gewiss, ebenfalls als Lehrherr wirken zu wollen. Er ignorierte seinen stoischen Leitstern, der ihn vor der künftigen Unterwerfung beim Leviathan für Annehmlichkeiten mahnte und fand eine Anstellung in einem vermeintlich ruhmreichen Winkel. Noch ahnte der Tor nichts vom Knusperhäuschen, obschon ihn das erste Zwiegespräch mit der Winkelherrin argwöhnisch stimmte.
Über einen Geflügelzuchtverein
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der fünfte Streich: Als sich der Tor hernach andernorts um eine Anstellung bewarb, schmeichelten ihm die beiden behelfsmäßigen Winkelherren und warben wertschätzend mit ihren verborgenen Dolchen um seine Gunst. Beide wussten freilich, dass ihre Schatulle nur mit Kupfermünzen gefüllt war, denn ihr Winkel war dem nimmersatten Leviathan anstandslos Untertan. Sie boten dem Toren kärgliche dreitausend Kupfermünzen ein jedes Jahreszwölftel, gelobten dafür aber Gleichklang unter den Winkelknechten.