PFALZBOTE: KRITISCHE SOZIALE ARBEIT
Georg Büchners Flugschrift Der hessische Landbote beanstandete die sozialen Missstände zu Beginn des 19. Jahrhunderts und gilt nicht nur als wichtiges Werk des Vormärz, sondern steht für Timo Heidl symbolisch für die grassierende soziale Ungleichheit im 21. Jahrhundert. Hierfür muss sich die durch den aktierenden Sozialstaat zweckentfremdete Soziale Arbeit nicht nur aus ihrer politischen Erstarrung befreien und ihren Zweck wieder selbst bestimmen, sondern dabei auch (verschleierte) Selektionsmuster gesellschaftlicher Herrschaft, die zu sozialer Ungleichheit, Diskriminierung und Exklusion führen, diskursiv und öffentlichkeitswirksam entkleiden: Schreiben ist sozialarbeiterische Berufspolitik! Über das Hiesige hinaus: Instagram
ANALYSEN KRITISCHE SOZIALE ARBEIT
Wo liegen die Motivations- und Steuerungsmechanismen, denen sozialstaatliche Umstrukturierungen aus ökonomischer, soziokultureller und politischer Sicht zugrunde liegen? Worin besteht die Legitimation dieser Umstrukturierungen und welche Kräfte tragen zu einem solchen Transformationsprozess bei? Was sind die Ursachen wiederkehrender Wirtschaftskrisen und wie sehen politische und sozialstaatliche Bewältigungsstrategien aus?
Über die Demontage unseres Sozialstaates
Die 1990er Jahre waren nicht nur vom Ende der Systemfrage, sondern aufgrund steigender Arbeitslosigkeit, von einer beispiellosen Deregulierungs- und Flexibilisierungswelle des Arbeitsmarktes geprägt. Diese Instrumente sind eine der gewichtigsten Zäsuren des bisherigen Wohlfahrtsstaates und ebneten den Weg für weitere drastische sozialpolitische Einschnitte, die auch im aktuellen aktivierenden Sozialstaat nicht abgeschlossen sind. Wo liegt die Legitimation dieser Umstrukturierung und vermag die aktuell als alternativlos dargestellte Aktivierungspolitik ihre Versprechen einzulösen?
Soziale Arbeit im aktivierenden Sozialstaat
Bedingt durch den sozialstaatlichen Legitimationsdruck steht Soziale Arbeit fortwährend im Fokus neuer Effizienzanforderungen und Kosteneinsparungen, die als Ökonomisierung Sozialer Arbeit nachhaltig Einfluss auf die Handlungsorientierung Sozialer Arbeit ausüben. Kombiniert mit dem Grundgedanken sozialstaatlicher Aktivierung: Fördern und Fordern, verdichtet und reduziert sich das neue Professionsverständnis auf eine reine Erziehungsarbeit, welche Adressaten zu einer Änderung von Verhaltensmustern anspornen soll, um aus ihnen ein flexibles und eigenverantwortliches Individuum im Sinne des ökonomischen Bedarfs zu formen.
Othering in der Praxis Sozialer Arbeit
Othering beschreibt die Konstruktion des Anderen im Diskurs, um hegemoniale Machtverhältnisse abzusichern. Othering ist zwar keine Stigmatisierung, aber als Denkstruktur in alle Ebenen unseres täglichen Lebens eingewoben. Der Prozess der ständigen Anrufung als andersartig führt dazu, dass die Betroffenen sich selbst derart wahrnehmen, ausgegrenzt und beherrscht fühlen. Wie bestimmt Othering die Handlungsmuster sozialarbeiterischer Praxis und wie können Othering und Intersektionalität dekonstruiert werden?
KOMMENTARE ZUR PRAXIS SOZIALER ARBEIT
Was ist Kritische Soziale Arbeit?
Kritische Soziale Arbeit reflektiert Handlungsanleitungen, die nur auf Symptome gesellschaftlicher Exklusion reagieren, aber nicht auf die gesellschaftspolitischen Widersprüche selbst. Sie kritisiert insbesondere jene sozialarbeiterische Praxis, die als pädagogisches Exekutivorgan und Erfüllungsgehilfin der gegenwärtigen Herrschaftsstruktur, dominierende Normalitätsmodelle lediglich rekonstruiert und damit die Rückkehr ihrer Adressaten in ein vordefiniertes Normgefüge anstrebt.
Vom Habitus-Struktur-Konflikt Sozialer Arbeit an einer Förderschule
Die Behindertenindustrie besitzt eine mächtige Lobby, denn Förderschulen sind ihr staatlich garantierter Motor. Darum sprachen die Alteingesessenen immerzu: „Das können die Kinder nicht, denn sie sind behindert.“ Dann kam ein Sozialarbeiter, den interessierte das nicht und die Kinder taten es. Als die Kinder erfolgreich wirkten, hielten sich die, die immerzu sprachen die Augen zu und sagten: „Du bist jetzt kein Sozialarbeiter mehr und musst dich uns fügen, sonst wirst du dein Aufbegehren büßen.“
Kernpunkte: Systemtheorie | Schonraumfalle Förderschule | affirmative action | Paternalismus | informelle Macht | Empowerment | Lösungsorientierter Ansatz | Professionsmodelle Sozialer Arbeit | systemische Sozialarbeit | Othering | Intersektionalität | Werkstätten für behinderte Menschen (Behindertenindustrie)
Wäre Soziale Arbeit die Prämisse eines Films, dann hieße der Antagonist Neoliberalismus. Der ist wiederum in einem aktivierenden Sozialstaat organisiert und bekämpft mit seinen Handlangern Ökonomisierung, Prävention, Sozialmarkt, Fördern und Fordern eine gelingende sozialarbeiterische Praxis. Ein solches Drehbuch wäre aber zu abgedroschen und generisch, denn es fehlen vorgebliche Mitstreiter, die sich als Schurken entpuppen und freilich ein finaler Plot Point, der die sozialarbeiterische Selbstsabotage offenbart.
Von Prekariatsschmieden in der Sozialen Arbeit
Die Tarifflucht in der Sozialen Arbeit und die damit verbundenen geringen ökonomischen Aufstiegschancen werden für Sozialarbeitende Folgen haben und eine künftige Altersarmut schmieden. Ein Vergleich zwischen den Tarifverträgen (TVL / AVR) und dem tarifflüchtigen Gehaltsgefüge eines Ludwigshafener Bildungsträgers.
Das Coronavirus: Wenn sich unser Erbgut erinnert
Sozialisation, Beziehungs- und Verhaltensmuster verändern sich über Generationen. Warum ist das so? Eine mögliche Antwort darauf findet sich in der Epigenetik, die den Einfluss von Umweltreizen auf das menschliche Erbgut untersucht. Das staatliche Vorgehen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie kollidiert nicht nur mit Freiheit und Selbstbestimmung, sondern verursacht soziale Isolation, Existenzängste, ökonomischen Schiffbruch und eine dadurch bedingte Zunahme familiärer Gewalt. Diese als traumatisch erlebte Umweltreize könnten das Erbgut prägen und damit auch die künftigen Anforderungen an eine gelingende Praxis Sozialer Arbeit.
Das Märchen vom Fachkräftemangel
Soziale Arbeit arbeitet mit betriebswirtschaftlichen Steuerungsmodellen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung, die in einer Ludwigshafener Jugendhilfeeinrichtung nicht nur mit einer Erhöhung von Fallzahlen einhergehen, sondern auch mit einem angeblichen Fachkräftemangel kalkulieren. Ist der stetig propagierte Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit womöglich nur ein Narrativ und gründet Personalmangel nicht eher in einer schlechten Arbeitgebermarke?
Das Märchen von der Wertschätzung
Wertschätzung bedarf keiner Worte! Funkeln muss sie in den Augen und sich wie das Modrige erkennbar zeigen, wer sich ihr nähert. In einer Ludwigshafener Jugendhilfeeinrichtung in kirchlicher Trägerschaft wird das dortige Leitbild der Wertschätzung allerdings eigennützig interpretiert und gelebt.
INTERMEZZI SOZIALER ARBEIT
Über einen unbedeutenden Winkel
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der erste Streich: In einem unbedeutenden Winkel hauste einst eine traurige Däumlingsschar. Es gab vermutlich viele traurige Däumlinge in Lumpenhafen, denn in jeder der winzigen Kammern waren mehr von ihnen untergebracht als hineinpassten. An einem nebelverhangenen Herbstmorgen klopfte ein vornehmer Herr an die Winkelpforte und stellte sich als der Schein vor. Er würde allen Riesen einen Wunsch erfüllen, wenn die Winkelherrin seine stetig frohgemutere Anverwandte Peisinoe anstellte.
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der zweite Streich: Eines Tages verirrte sich ein Tor in den unbedeutenden Winkel und der Zampano bot ihm eine kurzlebige Stellung als Winkelknecht an. Der Tor war ein prunkloser Riese, ahnungslos, dass sich dort der prunksüchtige Schein vielgestaltig verbarg. Emsig schmeichelte er dem Tor mit all seinen Angesichtern, doch dessen stoischer Leitstern der Selbstgenügsamkeit war ein kraftvoller Schutzzauber, den selbst der Schein nicht zu durchdringen vermochte. Erfüllt von Furcht um seinen Fortbestand, befahl der Schein seiner Anverwandten Peisinoe des Tors Seelenheil zu zerschmettern.
Vom Zampano, der König sein wollte
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der dritte Streich: Als sich der Tor in dem unbedeutenden Winkel um eine Anstellung bewarb, empfing ihn der Zampano zum Zwiegespräch. Selbiger war ein kräftiger Riese, der sich kleidete wie es ihm beliebte, augenscheinlich auf Schönfärberei verzichtete und dabei mit seiner bewanderten Rhetorik beeindruckte. Doch dem Tor blühte alsbald, dass es dem Zampano nie daran gelegen war eine fruchtbare Winkelgemeinschaft zu schaffen, sondern durch den Königsmechanismus sein eigener Lehrmeister zu bleiben.
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der vierte Streich: Nachdem der Tor gemutmaßt hatte, in dem unbedeutenden Winkel Erhabenheit über sein früheres Ich erlangt zu haben und dort niemand mehr von höherer Güte weilte, war er sich gewiss, ebenfalls als Lehrherr wirken zu wollen. Er ignorierte seinen stoischen Leitstern, der ihn vor der künftigen Unterwerfung beim Leviathan für Annehmlichkeiten mahnte und fand eine Anstellung in einem vermeintlich ruhmreichen Winkel. Noch ahnte der Tor nichts vom Knusperhäuschen, obschon ihn das erste Zwiegespräch mit der Winkelherrin argwöhnisch stimmte.
Über einen Geflügelzuchtverein
Kritische Soziale Arbeit als Märchen - der fünfte Streich: Als sich der Tor hernach andernorts um eine Anstellung bewarb, schmeichelten ihm die beiden behelfsmäßigen Winkelherren und warben wertschätzend mit ihren verborgenen Dolchen um seine Gunst. Beide wussten freilich, dass ihre Schatulle nur mit Kupfermünzen gefüllt war, denn ihr Winkel war dem nimmersatten Leviathan anstandslos Untertan. Sie boten dem Toren kärgliche dreitausend Kupfermünzen ein jedes Jahreszwölftel, gelobten dafür aber Gleichklang unter den Winkelknechten.